Sommerinterview mit Ottmar Pfitzenmaier und Christa Weiß

Veröffentlicht am 29.08.2020 in Kommunalpolitik

Am 29. August 2020 erschien in der LKZ das Sommerinterview von Thomas Slotwinski mit dem SPD Fraktionsvorsitzenden Ottmar Pfitzenmaier und seiner Stellvertreterin Christa Weiß.

"Ein absoluter Tiefpunkt im Gemeinderat“

Im Sommergespräch zeigt sich die Leonberger SPD-Fraktionsspitze mit Ottmar Pfitzenmaier und Christa Weiß entsetzt über die abgeblockte Diskussion zur vom OB gewollten Dezernatsumverteilung. Für die Berliner Straße fordern sie 25 Prozent bezahlbaren Wohnraum.

Die führenden Leonberger Sozialdemokraten Ottmar Pfitzenmaier und Christa Weiß sind treue Leobad-Gäste. Da liegt es nahe, dass sie das Sommergespräch eben dorthin legen.

Frau Weiß, Herr Pfitzenmaier, Sie hatten sich für eine schnelle Öffnung des Leobads eingesetzt. Jetzt stehen wir hier inmitten fröhlicher Badegäste.

Pfitzenmaier: Im Vergleich zu anderen Kommunen haben wir hier die bestmögliche Lösung gefunden. Das Personal hat sehr gut gearbeitet. Man sieht, dass es richtig war, auf eine schnelle Öffnung zu drängen. Andere im Gemeinderat hatten das als Phantomdiskussion bezeichnet.

Das Leobad bleibt bis 11. Oktober geöffnet. Geht’s dann im Hallenbad weiter?

Weiß: Wichtig ist ein glatter Übergang. Ein Schichtbetrieb, wie jetzt im Leobad, muss gewährleisten, dass sowohl Berufstätige abends wie auch Schüler beim Schulsport schwimmen können.

Pfitzenmaier: Die Wiederaufnahme des Schulschwimmsports ist ganz wichtig, sonst erziehen wir uns mehrere Generationen an Nichtschwimmern.

Die Sanierung des Leobades hat 14 Millionen Euro gekostet. Das wäre angesichts der Corona-Defizite heute kaum möglich. Im Gegenteil: Die CDU fordert eine Haushaltssperre.

Weiß: Das wäre überzogen, denn dann wären alle betroffen, auch die Vereine.

Die CDU wirft dem OB vor, eine Haushaltsklausur immer wieder verzögert zu haben. Deshalb müsse sie jetzt zur Notbremse Haushaltssperre greifen.

Weiß: Es gab immer sachliche Gründe für das Verschieben. Dann kam Corona.

Pfitzenmaier: Außerdem gibt es ja jetzt zwei Termine. Die Diskussion ist ohnehin schwierig, weil wir nicht wissen, ob wir unsere Ausfälle erstattet bekommen. Erhalten wir die zehn Millionen Euro, um das aktuelle Corona-Loch zu stopfen? Ich sage: Wer’s glaubt, wird selig. Das Problem ist doch, dass Bund und Land alles tun, um den Konsum anzukurbeln, aber den Kommunen keine Luft zum Atmen bleibt.

Gibt es keine Informationen, mit wie viel Unterstützung Sie rechnen können?

Pfitzenmaier: Nein. Daher wäre es gut gewesen, die Verwaltungsspitze hätte beim übergeordneten Regierungspräsidium nachgefragt, ob von den Kommunen tatsächlich erwartet wird, dass drastische Sparmaßnahmen erfolgen, was die Intention der beiden anderen politischen Ebenen, den privaten Konsum am Laufen zu halten, ja völlig konterkarieren würde.

Oder beim Landratsamt...

Pfitzenmaier: Das bringt doch nichts! Der Kreis will unbedingt eine Großklinik bauen. Von dort haben wir allenfalls eine Erhöhung der Kreisumlage zu erwarten.

Sie sagen, dass nicht zu Lasten der Vereine gespart werden soll: Wo dann?

Pfitzenmaier: Wir drängen schon lange darauf, dass die baulichen Standards für Kindergärten, die wir 2012 festgelegt haben, überarbeitet werden. Vor vier Jahren hat der Bau einer Kita-Gruppe 600 000 Euro gekostet, jetzt 1,2 Millionen Euro. Warum reichen nicht auch 900 000 Euro?

Weiss: Man darf nicht vergessen, dass die Auflagen der Landesregierung erheblich verschärft worden sind: Brandschutz, Sicherheitsstandards und die Mindestgröße wurden erhöht. Die sehr beliebten und kostengünstigen Waldkindergärten haben mittlerweile ebenfalls hohe Auflagen. Das sind alles Kostentreiber, die die Preisentwicklung aber allenfalls zu einem gewissen Teil erklären können.

Um, wie er sagt, mehr Effizienz zu erreichen, hat der OB vergeblich versucht, die Dezernate neu strukturieren.

Pfitzenmaier: Das ist ein klassisches Thema, um nachhaltig Kosten zu sparen. Dass sich eine Mehrheit des Gemeinderates geweigert hat, überhaupt darüber zu sprechen, ist ein absoluter Tiefpunkt und grenzt an Arbeitsverweigerung.

CDU und Freie Wähler bestreiten nicht, dass es zuvor Absprachen gegeben hat, in die Sie nicht eingebunden wurden.

Weiß: Wir hätten uns auch nicht einbinden lassen. Die Verweigerung, über die Vorschläge des OB zu diskutieren, war eine reine Machtdemonstration von Teilen des Gemeinderats.

Pfitzenmaier: Es ging ihnen nur darum, dass sich der OB eine blutige Nase holt. Das hat der Grünen-Fraktionschef Bernd Murschel bei Ihnen im Sommergespräch wortwörtlich so gesagt. Das deckt sich jedenfalls nicht mit unseren Vorstellungen von konstruktiver Kommunalpolitik.

Die anderen Fraktionen kritisieren, dass Cohn die Kämmerei und das Rechnungsprüfungsamt als Kontrollinstanz für sein Dezernat haben wollte.

Pfitzenmaier: Das gibt es in ganz vielen Städten, etwa in Ravensburg oder Friedrichshafen. Das Rechnungsprüfungsamt kontrolliert ja nicht nur die Kämmerei, sondern die ganze Verwaltung. Aber darüber hätte man ja diskutieren können.

Weiß: Inhaltlich geht es bei einer Neustrukturierung ja darum, die Kommunikation zwischen den Ämtern und die Schnittstellen zu verbessern.

Pfitzenmaier: Was dringend nötig ist. Darüber haben wir seit 25 Jahren nicht mehr gesprochen. Aber die Welt sieht doch heute ganz anders aus: Damals gab es weder IT, noch Mobilitätskonzepte und nur ein Viertel der Kindergärten.

CDU und Freie Wähler argumentieren, dass man abwarten müsse, ob im November die amtierenden Bürgermeister Ulrich Vonderheid und Klaus Brenner wiedergewählt werden. Dann könne man über veränderte Zuschnitte reden.

Pfitzenmaier: Es gibt eine goldene Regel in der Organisationswissenschaft: Organisiere nie um Personen herum.

Weiß: Es war die falsche Reihenfolge, die Stellen nach dem bisherigen Profil auszuschreiben. Richtig wäre gewesen, erst die Stellenzuschnitte inhaltlich zu diskutieren und dann auszuschreiben.

Wen wollen Sie denn wählen: die Amtsinhaber oder jemanden Neues?

Weiß: Wir hoffen, dass sich viele geeignete Bewerber finden. Dann können wir in einem fairen Verfahren entscheiden. Es kommt auf die Qualifikation an, nicht auf das Parteibuch.

Pfitzenmaier: Was nicht bedeutet, dass wir sagen: Die beiden Amtsinhaber wählen wir nicht. Wir haben uns mit dem Thema in der Tiefe noch nicht beschäftigt.

Diskussionen gibt es um ein beschlossenes Wohngebiet an der Berliner Straße. Oberbürgermeister Cohn will einen Investor durchsetzen, der dort gehobenen Wohnraum realisieren will.

Pfitzenmaier: Für uns ist entscheidend, dass dort 25 Prozent bezahlbarer Wohnraum entstehen.

Cohn will stattdessen günstige Wohnungen am Schützenrain bauen.

Pfitzenmaier: Die Berliner Straße ist von der Lage her viel besser geeignet: Hier sind Schulen, Kitas und Geschäfte in der Nähe. Das Thema bezahlbarer Wohnraum ist auf dem alten TSG-Gelände in den Sand gesetzt worden, weil dort der Investor die Preise festlegt. Umso wichtiger ist, dass es jetzt an der Berliner Straße funktioniert.

All diese Themen sind zwischen OB und Gemeinderat umstritten.

Weiß: Cohn will etwas voranbringen und offen und ehrlich mit dem Gemeinderat umgehen. Dabei wird er missinterpretiert.

Noch ein OB-Thema: Er will die Stadthalle abreißen und neu bauen lassen.

Pfitzenmaier: In Corona-Zeiten halte ich die Entscheidung pro Neubau für schwierig. Wenn man wüsste, dass wir nach einer Sanierung zehn Jahre Ruhe haben, wäre es einfacher.

Weiß: Leonpalooza hat überdeutlich gezeigt, dass es möglich ist, unterschiedliche Publikumskreise anzusprechen, unabhängig von der Halle. Das hat der neue Veranstaltungsmanager hinbekommen. Nils Strassburg ist ein Glücksfall.

Die Freien Wähler stellen angesichts der Finanzausfälle die Verbesserungen im Nahverkehr in Frage.

Pfitzenmaier: Über eine Zeitverschiebung kann man diskutieren. Nach Corona müssen wir den Ausbau des Nahverkehrs sofort forcieren. Das ist ein Zukunftsthema.

Per App sollen die Bürger schnell und unkompliziert Müll melden können.

Pfitzenmaier: Das ist ein erster zaghafter Schritt, auch wenn das etwas Geld kostet. Wichtig ist zudem eine stadtweite Putzete, in die auch die Schulen eingebunden sind. Dass ausgerechnet ein Grüner wie Sebastian Werbke diese pädagogisch so wichtige Maßnahme als Populismus bezeichnet, dazu fällt mir nichts mehr ein.

Das Gespräch führte Thomas K. Slotwinski

 

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