Sommerinterview 2023 mit Ottmar Pfitzenmaier und Christa Weiß

Veröffentlicht am 04.09.2023 in Gemeinderatsfraktion

 

E in autofreier Neuköllner Platz ist für
den SPD-Fraktionschef Ottmar Pfit-
zenmaier und seine Vize Christa Weiß
nachrangig. Ein Stadtumbau aber nicht.


Frau Weiß, Herr Pfitzenmaier, hat der
Treffpunkt Rathaus Symbolcharakter?

Pfitzenmaier: Hier werden nicht nur wichtige
politische Entscheidungen getroffen, das
Rathaus ist auch die geografische Schnitt-
stelle für die Stadtentwicklung – genau an
der Achse, an der die „Stadt für morgen“ und
das Postareal entwickelt werden sollen.
Ist das Postareal jetzt auf dem Weg?
Weiß: Von Seiten des Gemeinderats, ja.
Pfitzenmaier: Wir hoffen, dass sich nun auch
der Investor auf den Weg macht.
Trotz des Ratsbeschlusses gibt es weiter-
hin Kritik an den Dimensionen.

Pfitzenmaier: Zugegeben ist nicht alles ideal,
insbesondere die Führung des Radweges
durch den Engpass an der Eltinger Straße.
Insgesamt aber ist es ein urbanes Projekt
mitten in der Stadt. Wo sonst ist denn Innen-
verdichtung möglich?
Weiß: Deshalb ist es schwer zu verstehen,
warum gerade die Grünen bei allen Projek-
ten der Innenentwicklung „nein“ sagen.
„Ja“ sagen die Grünen zum Umbau der
benachbarten alten Schuhfabrik zu
einem Kulturzentrum.

Weiß: Für Investoren jedenfalls scheint das
nicht so interessant, wie manche gedacht
haben. Zumal es geradezu absurd ist, dass in
unserer heutigen Zeit ein Gebäude teilweise
mit Heizlüftern beheizt wird. Unsere Hal-
tung ist da ganz klar: Schulen und Kinder-
gärten sind weitaus wichtiger. Die Schuhfab-
rik rangiert auf unserer Prioritätenliste ganz
hinten. Weit vorne hingegen sehen wir die
Fläche der Schuhfabrik für Wohnungsbau.
In der Altstadt hat sich einiges getan:
Der untere Bereich ist des Marktplatzes
ist autofrei, dort gibt es neue Pflanzen
und mehr Gastronomie.

Pfitzenmaier: Wenn die Stadtjetzt noch die zehn Fahrrad-
ständer, die wir vor geraumer Zeit beantragt haben, endlich
aufbauen würde, wäre es noch besser. Uns wurde gesagt, dass
sie erst im Herbst kommen sollen – pünktlich zum Ende
der Freiluftsaison.
Die Stimmen mehren sich, die für einen
komplett autofreien Marktplatz sind.

Pfitzenmaier: Das hätte gewiss Charme.
Weiss: Wichtig ist, dass die Altstadt auch für
Autofahrer attraktiv bleibt. Wir haben ein
geräumiges Parkhaus, in dem übrigens die
Brötchentaste gilt, also ein halbe Stunde gra-
tis parken. Das Preis-Leistungs-Verhältnis
stimmt. Darüber hinaus könnte man den
oberirdischen Parkplatz des Finanzamtes
ganztägig für die Öffentlichkeit freigeben.
Die dort Beschäftigten können ihre Autos
problemlos im Parkhaus abstellen. Das wäre
wichtig für die Besucher der Stadtkirche oder
der Kultureinrichtungen.
Weniger Autos soll es auch in der Stadt-
mitte geben.

Weiss: Der Handlungsbedarf ist dringend ge-
geben. Wir brauchen mehr Grün und mehr
Wege für Fußgänger und Radfahrer
Pfitzenmaier: Man muss auch differenzie-
ren: In der Eltinger Straße ist eine Reduzie-
rung der Spuren machbar. In der westlichen
Römerstraße hingegen sind allein vier große
Einkaufsmärkte. Deren Kunden können
nicht alle mit dem Rad oder Bus kommen.
Deshalb sehen wir zudem Probleme hin-
sichtlich der Verkehrssicherheit, würde die
Busbucht zwischen der Ampel bei Kaufland
und dem Obi-Kreisel wegfallen.
Was ist mit einem autofreien Neuköllner Platz?
Pfitzenmaier: Der ist für uns kein vordringliches Thema.
Weiß: Wichtig ist der Umbau der Eltinger Straße, mit einer
separaten Radspur in der vorgeschriebenen Breite sowie
viel Grün, um den Weg vom Marktplatz zum Leo-Center
attraktiv zu machen.
Wann rechnen Sie mit einem Umbau?
Pfitzenmaier: Wenn wir in dieser Legislatur-
periode, die in einem knappen Jahr endet,
noch Beschlüsse fassen, könnte es 2026 wer-
den. Aber man muss abwarten, ob die Mehr-
heit im neuen Gemeinderat Bestand hat.
Ein großes Anliegen der SPD war und ist
sozialer Wohnungsbau.

Jetzt gibt es Protest gegen das bereits beschlossene
Quartier Unterer Schützenrain.

Pfitzenmaier: Das ist nicht ganz nachvoll-
ziehbar. Gerade dort haben wir mehr ökolo-
gische Gutachten in Auftrag gegeben als vor-
geschrieben. Wie es mit dem gleichzeitig be-
schlossenen Wohngebiet an der Berliner
Straße weitergeht, wissen wir nicht. Das ist
sehr unbefriedigend, denn wir brauchen
dringend preisgünstigen Wohnraum.
Die Grünen sehen das etwas anders: Im
aktuellen Sommergespräch haben sie
einen Wachstumskurs in Frage gestellt.

Pfitzenmaier: Diese Grundhaltung, dass
Leonberg nicht wachsen soll, weil wir es uns
nicht leisten können, ist völlig unsozial für
unsere Kinder und Enkelkinder, die auch hier
leben wollen.
Mitten in der Stadt klafft ein großes
Loch. Bosch will ein in der Poststraße
geplantes Gebäude doch nicht bauen.

Pfitzenmaier: Das ist sehr schade. Bedauer-
lich ist zudem der Umstand, dass der Ge-
meinderat vom Baustopp aus der Zeitung er-
fahren hat. In der Planungsphase hatte
Bosch immer die Kommunikation mit uns
gesucht. Es wäre ein Zeichen des Vertrauens
gewesen, hätte man auch beim Aussetzen
des Projektes mit uns kommuniziert.
Was soll dort geschehen?
Pfitzenmaier: Vielleicht gibt es ja die Chance,
dort Wohnungsbau zu realisieren, auch
wenn dafür der Bebauungsplan geändert
werden müsste. Das Unternehmen hat eine
eigene Wohnungsbaugesellschaft, die unter
anderem das Bosch-Gelände in Rutesheim zum Teil bebaut.
Das wäre eine Perspektive für Leonberg.
Weiß: Erfreulich ist, dass im Campus-Neubau eine von
Bosch und der Stadt betriebene Kindertagesstätte entsteht.
Große Aufregung gibt es um eine mögliche Schließung der Gynäkologie im Krankenhaus
Leonberg.

Weiß: An dem Informationsabend in der
Steinturnhalle hat der Geschäftsführer des
Klinikverbundes, Alexander Schmidtke,
nachvollziehbar erklärt, dass die Personalsi-
tuation dafür zu angespannt ist.
Sie können also mit einem Aus für die
Leonberger Geburtenstation leben?

Pfitzenmaier: Wenn Betten gesperrt werden
müssen, also nicht zur Verfügung stehen,
weil Personal fehlt, ist niemandem geholfen.
Außerdem ist es von Vorteil wenn eine Ge-
burtshilfe und eine Kinderklinik zusammen
sind. Das wäre in Böblingen und in Stuttgart
der Fall. Klar ist aber auch, dass dann die
meisten Leonberger Kinder als Geburtsort
Stuttgart im Ausweis stehen haben werden.
Kritiker befürchten, dass der Wegfall der
Gynäkologie ein Sargnagel für das Leon-
berger Krankenhaus sein wird.

Pfitzenmaier. Wichtig ist, dass wir die medi-
zinischen Leuchttürme Gastroenterologie
und Bauchchirurgie dauerhaft sichern, die
der Klinik auswärtige Patienten bringen.
Weiß: Der geplante Ausbau der Altersmedi-
zin mit einer guten Übergangspflege ist
ebenfalls eine große Chance.
Pfitzenmaier: Das Gesundheitssystem ist
schon immer unterfinanziert. Bund und
Land müssen sich darüber im Klaren sein,
dass Gesundheit nicht rein betriebswirt-
schaftlich betrachtet werden kann. Das
Campusmodell,von dem in letzter Zeit kaum
noch die Rede war, ist ebenfalls wichtig, um
ein langfristiges Überleben unserer Klinik
und die ärztliche Versorgung zu sichern.
Die Ampel-Koalition in Berlin ist im
Umfragetief. Macht Ihnen das bei der
Arbeit vor Ort zu schaffen?

Weiß:
Mir nicht. Welche Regierung musste
sich mit einem Krieg und einer Energiekrise
auseinandersetzen? Die Kluft zwischen Arm
und Reich gibt es seit CDU-Regierungszei-
ten. Bundeskanzler Olaf Scholz ist kein Rhe-
toriker, aber ein besonnener Politiker. So
einen Bundeskanzler brauchen wir in diesen
Zeiten.
Pfitzenmaier: Man muss schon feststellen,
dass eine Dreierkoalition mit so wenigen in-
haltlichen Schnittmengen uns vor Ort kei-
nen Rückenwind bringt.
Keinen Rückenwind hat derzeit auch die Stadtspit-
ze. OberbürgermeisterCohn hat seine Stellvertre-
terin Josefa Schmid wegen, wie er sagt „schwerer
Dienstvergehen“ mit einem Arbeitsverbot be-
legt.

Pfitzenmaier: Um in der Fußballer-Sprache
zu antworten: Der Ball liegt auf dem Elfme-
terpunkt, das Regierungspräsidium als Kom-
munalaufsicht muss anlaufen und schießen.
Ob der Ball ins Tor oder daneben geht, wer-
den wir sehen. Zur Sache können wir nichts
sagen. Nur so viel: In der Wirtschaft wäre
solch ein Fall sehr viel einfacher zu lösen.
Weiß: Überall wo Frau Schmid vorher war,
hat sie Unruhe ins Amt gebracht. Für mich ist
es unverständlich, dass sie mit dieser be-
kannten Vorgeschichte gewählt wurde.
Man könnte fast meinen, in der Stadt ist
so richtig der Wurm drin.

Weiß: Wir haben sehr viel gute Angebote –
vom frisch sanierten Leobad bis hin zu Kin-
dertagesstätten und Schulen in einem guten
Zustand und einer sehr gut aufgestellten Ju-
gendmusikschule. Auch die Personalproble-
me bei der Stadt sind im Vergleich zu ande-
ren Kommunen überschaubar.
Das Gespräch führte Thomas Slotwinski

 

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